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Auf Möwenschwingen…

Die PZL P.11c

Vom Original zum Modell

Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.

Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.

Die PZL P.11c von Revell in 1/72. Die Pilotenfigur haben wir durch eine Airfix-Miniatur ersetzt und zwei Spanndrähte zum Fahrwerk ergänzt. Sonst ist der Kit aus der Schachtel gebaut.

Und diesmal… Na gut – noch eines vom Glück der frühen Jahre. Eigentlich sollte hier ja das wunderschöne Diorama unseres langjährigen Chef-Modellbauers Siegfried Fricke zu Otto Lilienthals „Fliegeberg“ vorgestellt werden, aber die Begeisterung über den klassischen 1/72er Revell-Kit der Polikarpow I-16 vom letzten Monat zeigt uns, viele unserer Leser und Freunde des Museums haben mit jenen kleinen aber in ihrer Zeit feinen Bausätzen ihr Interesse an der Luftfahrt und ihre Liebe zum Modellbau entdeckt, und erinnern sich gern in Wort und Bild daran zurück.

Also stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ heute noch einen dieser Revell-Kits aus den 1960er Jahren vor: Den polnischen Jäger PZL P.11c von 1934.

Wer kann sich erinnen? Das Layout des Kits – ein Hauch von Exotik umwehte damals Original wie Modell.

Das Modell:  Die Macht der Bilder…

Ah, diese Modellbau-Kataloge der späten 1960er und goldenen ´70er Jahre! Diese meist exzellent (und historisch korrekt) gezeichneten Deckelbilder der Kits… Man wurde (jung wie man war) in die Darstellung, ins Modell gezogen, man lief, fuhr, flog doch mit. Im Spielzeugladen unten Dreiräder und Puppen, im ersten Stock Eisenbahn- & Modellbausätze in Regalen bis unter die Decke. Schließlich daheim die Stülpschachtel, die Gußgrate, die Teile, die Details. Die Baubeschreibung samt historischem Abriss. Und der Plastikkleber… Na, wir schweifen ab.

Die PZL P.11c kam 1965 von Revell (GB) in 1/72 auf den Markt und hatte 26 Teile plus Schiebebildersatz, war mit ihren Streben samt starrem Fahrwerk für Anfänger schon etwas tricky, aber im Großen und Ganzen ein gutmütiger Bausatz. Vorbild war ein Jagdflugzeug der polnischen Luftwaffe vom Herbst 1939.

Das Luftfahrtmuseum präsentiert eine P.7a und den Nachfolger P.11c in seiner Modellausstellung. Das hier im Bild gezeigte Exemplar wurde aus dem Kit-Fundus des Museums neu gebaut und dürfte von etwa 1975 datieren. Die Schiebebilder machten dann auch ein wenig Mühe, aber mit ruhiger Hand, Decal Soft und (schließlich) einigen handfesten Flüchen konnten wir sie ihrer Bestimmung zuführen. Lange Zeit war der Revell-Bausatz die einzige Miniatur dieses Typs in 1/72, inzwischen gibt es verschiedene weit detailliertere Bausätze, aber wir finden doch immer wieder, das allzu Perfekte kann auch ermüden…

„Aufgebockt“: Unsere PZL 11 in aerodynamischer Anmutung.

Das Original: Möwenschwingen von Metall

Und hier ist also der Flugzeugtyp, mit dem der erste Luftsieg über eine deutsche Maschine im zweiten Weltkrieg erzielt wurde: Keine Stunde nach Beginn der Kampfhandlungen am 1. September 1939 schoss der Pilot einer PZL P.11c der polnischen Luftwaffe eine Junkers Ju 87 im polnischen Luftraum ab.

Die P.11c der Staatlichen polnischen Flugzeugwerke PZL hob als konstruktive Fortentwicklung der P.7a erstmals 1934 vom Boden ab. Konstrukteur des Ganzmetall-Eindeckers mit abgestrebten Möwenflügeln, starrem Fahrwerk und offenem Cockpit war Zygmunt Pulawski, nach dessen tödlichem Flugunfall gefolgt von Stanislaw Prauss und Wsiewolod Jakimiuk, welche für die P.11c endverantwortlich zeichneten.

Polens Stolz

Von den insgesamt gebauten 350 Stück der P-Serien waren die Hälfte P.11c. Diese stellten ab 1935 den Standardjäger der polnischen Luftwaffe, die damit weltweit die erste Luftstreitkraft war, welche Ganzmetallflugzeuge zum Standard machte. Und die mit diesem Typ ein zu jenem Zeitpunkt erstklassiges Muster in Dienst nahm.

Der abgestrebte Schulterdecker mit zum Rumpf abgeknickter Tragfläche bei zur Spitze hin verjüngtem Profil, welche nach ihrem Konstrukteur international auch als „Pulawski-Flügel“ bezeichnet wurde. Beachte das rumpfseitige MG über dem Kühler und den Schleifsporn am Heck.

Angetrieben vom Lizenzbau des britischen Bristol Mercury 9-Zylinder-Sternmotors mit maximal 645 PS erreichte der Typ bei einem Abfluggewicht von 1.630 kg eine Höchstgeschwindigkeit von 386 km/h und hatte eine Reichweite von 670 km. Bewaffnet mit zwei bis vier 7,7 mm MG besaß die Maschine eine Länge von 7,55 m und eine Spannweite von 10,72 m.

Zäsur

Wie so viele Konstruktionen der 1930er Jahre, einer Zeit der sich überschlagenden technischen Innovationen, veraltete der Typ jedoch rasant. Wie beispielsweise die britische Gloster Gladiator lag auch die PZL P.11c an der Zäsur des Jagdflugzeugbaus in Mitte der ´30er Jahre. Hier schon mit wegweisenden Merkmalen wie Eindecker-Metallbau, fernbedienten Maschinenwaffen und (vorgesehenem) Funk ausgestattet, wurde sie von den nur drei, vier Jahre jüngeren Konstruktionen wie der Hawker Hurricane, der Bloch 152, der Heinkel 112, Supermarine Spitfire und Messerschmitt Bf 109 deklassiert, welche als Tiefdecker mit geschlossener Kabine und Einziehfahrwerk sowie (zumeist) Reihenflugmotor und Verstell-Luftschraube eine neue Kategorie von Jagdflugzeugen begründeten.

Unteransicht. Nur die Tragfläche und das Höhenruder tragen himmelblauen Sichtschutzanstrich, der jedoch von den prominenten Nationalitätszeichen konterkariert wird.

Und so kämpften die in insgesamt 12 Staffeln der polnischen Luftwaffe eingesetzten P.11c im dreiwöchigen deutsch-polnischen Krieg im Herbst 1939 aufopferungsvoll und tapfer nicht ohne Erfolge, doch letztlich auf verlorenem Posten gegen einen in allen wesentlichen strategischen, taktischen und technischen Belangen überlegenen Gegner.

Von der deutschen Luftwaffe und dann auch den verbündeten Streitkräften Rumäniens und Bulgariens wurden die verbliebenen P.7 und P.11 zur Fortgeschrittenen- und Jagdfliegerschulung genutzt, teilweise auch noch zur nachgeordneten Frontverwendung herangezogen.

In den Tragflächen auf Höhe der Streben die beiden (oft nicht eingebauten) MGs; die Perspektive offenbart die sehr guten Sichtverhältnisse durch den Möwenflügel.

Die P.24 als konstruktiver Schlusspunkt der Reihe mit verkleidetem Fahrwerk und Kabinenhaube war bereits vor Kriegsbeginn ein Export- und Lizenzbaumodell für verschiedene Balkanländer bis zur Türkei, flog jedoch niemals in polnischen Farben.

Hereinspaziert!

Konnten wir Sie neugierig machen? Dann besuchen Sie unser Luftfahrtmuseum – über 40 Sport-, Schul-, Passagier- und Jagdflugzeuge, Hubschrauber und Segelflugzeuge im Original und originalgetreuen Nachbau, eine große Motoren- und Turbinenabteilung, Bilder und Druckwerke sowie gut 1.000 Maßstabsmodelle warten auf Sie!                                                                       sb

Startbereit. Das strömungsgünstig eingebettete offene Cockpit mit Frontverglasung war 1933/´34 durchaus ´state of the art´ - wie die gesamte Konstruktion.

sb 


Kontakt zum Autor der Modell-des-Monats-Reihe können Sie hier aufnehmen: Autor-MdM