Flugblätter, Bomben und Torpedos… Die Handley Page Hampden B.I
Vom Original zum Modell
Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.
Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.
Heute stellen wir Ihnen in unserer Rubrik ´Modell des Monats´ die Handley Page Hampden B. I vor, einen viersitzigen, zweimotorigen Mitteldecker des britischen Bomberkommandos.
Das Luftfahrtmuseum zeigt eine frühe Version des konstruktiv bemerkenswerten Typs aus dem Jahr 1940 im Maßstab 1/72 in seinen Modellvitrinen der Halle 2.
H.P. Hampden B. I, im Maßstab 1/72. Das Original war einer von drei Bombertypen der
Royal Air Force zu Kriegsbeginn 1939.
Das Modell: Britische Angelegenheit
Aus den späten 1960er Jahren stammt der 123teilige Kit mit Schiebebildersatz für zwei britische und eine schwedische Version im Maßstab 1/72 von Airfix. Vom englischen Marktführer über die Jahrzehnte immer einmal neu editiert, war der Bausatz lange Zeit die beste Miniatur dieses Flugzeuges auf dem Markt. Ursprünglich in schwarz gehalten, kamen spätere Auflagen in für die Farbgebung optimalem Grau heraus – so auch unser hier vorgestelltes Exemplar von 1998, welches eine Maschine der 106. Staffel der RAF vom Fliegerhorst Finningley aus dem Jahr 1940 zeigt, jenem wohl schwierigsten für Großbritannien im 2. Weltkrieg. Tarnschema und Kennzeichen entsprechen den ersten Kriegsmonaten.
Das Original: Schmal gebaut…
Die Hampden als das erste Eindeckerkampfflugzeug aus dem Hause Handley Page im Nordwesten Londons war der letzte und schnellste vor dem zweiten Weltkrieg in Großbritannien in Dienst gestellte mittlere bis schwere Bombertyp. Mit zwei Bristol Pegasus XVIII 9 Zylinder-Sternmotoren, vier Besatzungsmitgliedern und einer Bombenlast von bis zu 1.800 kg erreichte sie eine Geschwindigkeit von 426 km/h in 4.700 m Höhe bei einer Reichweite von rund 3.000 km. Der Erstflug erfolgte im Juni 1936, Ende 1938 kam der Typ in den Truppendienst der Royal Air Force.
Dreiblatt-Luftschrauben der vollverglaste Rumpfbug mit dem Platz
des Bombenschützen, darüber das Cockpit.
Ihre konstruktive Besonderheit zeigt sich in der Front- und Seitenansicht des gestreckten und innovativen Designs: Der Rumpf ist an der dicksten Stelle nur 90 cm breit, hat dafür im vorderen Teil – vor dem langen, kompakten Leitwerksträger – eine erhebliche Höhe durch die übereinander angeordneten Baugruppen und Kampfstände, und erinnert so an die Form einer Kaulquappe – nicht von ungefähr, denn beide sind extrem strömungsgünstig angelegt. Weitere charakteristische Spitznamen des offiziell „Hampden“ getauften Typs waren denn auch „Geigenkasten“ oder „Bratpfanne“. Nachteilig an dieser aerodynamisch vorteilhaften Auslegung war, dass die Besatzungen getrennt saßen, einander nicht helfen konnten, und in den engen Kampfständen ohne Bewegungsmöglichkeit relativ schnell ermüdeten.
Innovationen
Rund 1.500 Exemplare der Hampden wurden gebaut, 160 davon in Kanada. Dabei sorgten neue Fertigungstechniken wie der Halbschalenbau für eine kurze Bauzeit und hohen Produktionsausstoß. Zusammen mit der Vickers Wellington und der Armstrong Whitworth Whitley bildete sie das Rückgrat des britischen Bomberkommandos zu Kriegsbeginn 1939. Etwa 100 weitere Exemplare wurden unter dem Namen „Hereford“ mit dem Napier Dagger Reihenmotor und höherer Leistung produziert. Dessen Unzuverlässigkeit im hohen Leistungsbereich führte jedoch zum Rückbau dieser Maschinen auf Hampden-Konfiguration oder zur Verwendung als Schulflugzeug.
Bombenklappen und voller Bombenlast zeigt sich immer noch die Eleganz der Konstruktion.
Die Kokarden dort verschwanden aus Sichtschutzgründen recht bald.
Verluste und…
Und immer erst der scharfe Einsatz zeigt Stärken und Schwächen einer Konstruktion umfänglich auf. Hier kam zu den oben erwähnten Nachteilen noch eine zu leichte, vor allem unflexible Abwehrbewaffnung. Ein starr verbautes und fünf bewegliche MG vom Kaliber 7,7 mm mit begrenztem Richtbereich zeigten sich als nicht ausreichend. In der Summe führte dies zu schmerzhaften Verlusten bei Tagangriffen ohne oder mit unzureichendem Jagdschutz gegen die deutsche Küste.
Nach typübergreifend ähnlichen Erfahrungen erfolgte recht schnell der Strategiewechsel des RAF-Bomberkommandos auf Nachtangriffe – mit langsam doch stetig wachsendem Erfolg.
…Erfolge
In diesen nächtlichen Einsätzen warfen Hampdens neben Bomben auch politische Flugblätter über deutschen Städten ab und legten Minen in den Schiffahrtswegen der Deutschen Bucht.
Mit Fortschreiten des Krieges liefen der RAF neue, leistungsstärkere Typen zu und die Hampden wurde nach Teilnahme am ersten 1.000-Bomber-Angriff auf Köln 1942 aus der ersten Linie zurückgezogen. Das Küstenkommando verwendete den Typ noch ein Jahr lang als Torpedobomber und Seeaufklärer mit einer ansehnlichen Leistungsbilanz. Danach aber wurde sie bis zu ihrer schrittweisen Ausmusterung Ausbildungs- und Unterstützungsaufgaben zugewiesen: Sie hatte ihren Job gemacht – und ungeachtet der zuvor genannten Schwächen dabei ganz wesentlich zur „militärischen Lebensversicherung“ Großbritanniens in den ersten zwei Kriegsjahren beigetragen.
Abwehrstände im Bug, auf Rumpfrücken und -boden.
Hereinspaziert!
Konnten wir Sie neugierig machen? Dann besuchen Sie uns im Luftfahrtmuseum – über 40 Sport-, Schul-, Passagier- und Jagdflugzeuge, Hubschrauber und Segelflugzeuge im Original und originalgetreuen Nachbau, eine große Motoren- und Turbinenabteilung sowie gut 1.000 Maßstabsmodelle warten auf Sie!
sb
Design der britischen Bomberflotte zum Ende der 1930er Jahre.
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