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Wegweisend…

Die Polikarpow I-16

Vom Original zum Modell

Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.

Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.

Heute stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ einen großen Wurf der Luftfahrtgeschichte vor: Die einmotorige Polikarpow I-16 war 1933 der erste Jagdeindecker mit Einziehfahrwerk – und auch darüber hinaus eine wegweisende Konstruktion, etwa in der Vollverkleidung ihres 9-Zylinder-Sternmotors.

Die I-16 als Sowjetjäger von Revell in 1/72. 1933 war das Original aufsehenerregende Hightech.

Das Modell: 60 Jahre jung…

Dem Original angemessen ist unser Referenzmodell im Maßstab 1/72: Wie sein Vorbild ein Klassiker mit einigen Extras. Von der britischen Revell-Tochter 1964 auf den europäischen Markt gebracht, bot der Bausatz mit Pilotenfigur 28 Teile plus Schiebebildersatz und einen bemerkenswert detaillierten Motorraum mit abnehmbaren Haubenteilen sowie wahlweise ein- oder ausgefahrenes Fahrwerk – und dies vor 60 Jahren auf ganzen 8,3 cm Länge, denn mehr gibt das Vorbild in 72facher Verkleinerung nicht her… Übrigens war auf der originalen Stülpschachtel von ca. 1975 aus unserem Museumsfundus noch das Preisschild erhalten: 2,75 DM (das wären 1,41 € - Where have all the good times gone…).

Der Bausatz - Wir beide begegneten uns erstmals um 1970; den Kit nun noch einmal zu bauen, machte viel Freude und holte eine Menge Erinnerungen hervor – nicht nur zum Modellbau…

Das Original: Wegweisend

Entworfen von Nikolai N. Polikarpow im staatlichen Flugzeugwerk ZKB der Sowjetunion als Nachfolger seiner schon erfolgreichen Doppeldecker I-15 und I-153, hob die bemerkenswert kompakte I-16 am letzten Tag des Jahres 1933 erstmals vom Boden ab. Das kleine Flugzeug mit einem fassförmigen Rumpf und nur halb geschlossenem Cockpit war der erste Eindeckerjäger mit Einziehfahrwerk und eine der ersten Konstruktionen mit vollverkleidetem Sternmotor. In Gemischtbauweise aus Stahl, Aluminium und Holz gefertigt und teilweise stoffbespannt, machte sein Entwicklungspotential den Typen in der Folge zum wichtigsten Jagdflugzeug Sowjetrusslands von den 1930er bis in die ´40er Jahre, und für einige Zeit zum nach der Feuerkraft stärksten Jäger weltweit.

Mit abgenommenem rechten Motorblech. Die prominenten Roten Sterne der Tragflächenoberseiten wurden ab dem Sommer 1941 zum Sichtschutz häufig übermalt.

Überaus erfolgreich zeigte sich die (nach China exportierte) I-16 im chinesisch-japanischen Krieg 1937/´38, im spanischen Bürgerkrieg 1936/´39 auf Seiten der Republikaner (wo sie auch von sowjetischen Piloten geflogen wurde) und im sowjetisch-japanischen Grenzkonflikt 1939. Im sowjetisch-finnischen Winterkrieg 1939/´40 hingegen bekam ihr verdienter Ruhm die ersten Schrammen: Die finnische Luftwaffe war aufgrund eines hohen Ausbildungsstandes, variabler Taktiken und qualitätvollen Materials ebenbürtig. Als Reaktion darauf begann die Entwicklung neuer Jagdflugzeugtypen in der Sowjetunion – und eine grundlegende Überarbeitung der I-16, welche die dann meistgebaute Variante „Typ 24“ hervorbrachte. Stärker motorisiert wie auch bewaffnet (mit 2 x 20mm MK und 2 x 7,62 mm MG) war sie damit jedoch an ihrem Leistungslimit angelangt.

Eine „Rata“ der Republikaner in der Modellvitrine zum spanischen Bürgerkrieg. Dort erreichte die Maschine eine beeindruckende Einsatzbilanz. Modell gebaut von Siegfried Fricke und Harald Steiner.

Standhaft

In Spanien war sie noch allen Typen – bis auf die beiden besten deutschen Jäger auf nationalspanischer Seite, Messerschmitt Bf 109 und Heinkel 112 – überlegen gewesen und bekam dort ob ihrer Wendig- und Wehrhaftigkeit von ihren Gegnern den grimmig anerkennenden Spitznamen „Rata“ („Ratte“). Unter diesem blieb sie auch im deutschen Sprachraum den folgenden Weltkrieg hindurch bekannt.

Im Bau. Die Motorteile sind fertig zum Einbau, Rumpf und Flächen befinden sich versäubert in der Grundierung. Man beachte den „Maßstabsschlüssel“.

Beim deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 war die I-16 vom Typ 24 deren Standardjäger und blieb es bis weit ins Jahr 1942 hinein. Der inzwischen optimierten Bf 109 (Typen E und F) nun aber deutlich unterlegen, kämpften die sowjetischen Piloten gleichwohl standhaft und erfolgreich in der Luftverteidigung gegen ohne Jagdschutz operierende deutsche Bomber und Aufklärer sowie zunehmend in der ohnedies von sowjetischer Seite fokussierten Erdkampfrolle und Heeresunterstützung.

Unteransicht der stämmigen wie stimmigen Konstruktion. Cockpitboden bzw. Fahrwerkschächte galten in den 1960er Jahren bei 1/72-Kits als entbehrlicher Luxus. Wir haben es aus Respekt vor der „historischen Wahrheit“ dabei belassen…

Ab Jahresende 1942 erreichten dann die neuen, kampfstarken Jägertypen Jak-9 und La-5 die sowjetischen Einheiten und der I-16, von der es auch eine nennenswerte Anzahl Schul-Doppelsitzer gegeben hatte, wurden nachgeordneten Aufgaben zugewiesen. Ende 1943 waren die „Ratas“ dann aus der Frontverwendung verschwunden, aber ihre Innovationen lebten im internationalen Flugzeugbau weiter.

Kurz und gut… oder auch: Genauso viel wie nötig. Das Konstruktionsprinzip der Polikarpow I-16.

Datenblatt Polikarpow I-16 Typ 24:

Besatzung: 1, Länge: 6,13 m, Spannweite: 8,90 m, Startgewicht: 2.095 kg, Geschwindigkeit max: 525 km/h, Reichweite: 450 km, Antrieb: 1 x Schwezow M-62 oder M-63 mit max. 1.100 PS (Lizenzbau des Wright Cyclone R 1820), Bewaffnung: 2 x MG 7,62mm im Bug, 2 x MK 20mm in den Tragflächen, optional zusätzlich 6 Raketengeschosse RS-82mm oder leichte Bomben unter den Flächen. Erstflug: 31.12. 1933, im Truppendienst 1934 bis ´43, Stückzahl insg. 8.643.

Hereinspaziert!

Konnten wir Sie neugierig machen? Dann besuchen Sie uns im Luftfahrtmuseum – über 40 Sport-, Schul-, Passagier- und Jagdflugzeuge, Hubschrauber und Segelflugzeuge im Original und originalgetreuen Nachbau, eine große Motoren- und Turbinenabteilung, und gut 1.000 Maßstabsmodelle warten auf Sie!

sb 


Kontakt zum Autor der Modell-des-Monats-Reihe können Sie hier aufnehmen: Autor-MdM