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Modell des Monats September 2023 Gladiator

Vom Blitz getroffen…

Die Gloster Gladiators der belgischen Luftwaffe

 

Vom Original zum Modell

Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.

Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.

Die Gloster Gladiator Mk I der belgischen Luftwaffe ergänzt die beiden Exponate dieses britischen Jagd-Doppeldeckers in der 1/72-Modellsammlung des Hauses: eine Mk II der RAF und eine Beute-Maschine der deutschen Luftwaffe.

Heute stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ den letzten britischen Jagd-Doppeldecker Gloster Gladiator von 1934 vor, den auch die belgischen Streitkräfte in insgesamt 22 Exemplaren der Baureihe Mk I ab 1937 bis 1940 betrieben.

Das Modell:                Kunsthandwerk                    

Hersteller des recht neuen PVC-Bausatzes mit rund 50 Teilen plus Schiebebildsatz im Maßstab 1/72 ist die englische Traditionsfirma Airfix. Deren nach den frühen 1960er Jahren zweite Bausatzform dieses Flugzeugtyps ist der wohl qualitätvollste Kit, welcher von der Gladiator in diesem Maßstab derzeit auf dem Markt ist. Neben einer britischen Mk II haben wir daraus eine Mk I der belgischen Luftwaffe gefertigt.

Vor der (archetypischen) Halle. Die Gladiators der belgischen Luftwaffe lagen bis 1940 auf dem Fliegerhorst Schaffen.

Das Original:              Die Ersten und die Letzten

Die Gloster Gladiator war das erste „neue“ und zugleich letzte „alte“ Jagdflugzeug Großbritanniens. Ihre Geschichte ist exemplarisch für den technologischen Quantensprung im Rüstungswettlauf der europäischen Mächte in den 1930er Jahren. Als Weiterentwicklung der Gloster Gauntlet letzter verspannter Jagddoppeldecker der Royal Air Force, angetrieben von einem 9-Zylinder Bristol Mercury Sternmotor und mit starrem Fahrwerk, war sie ebenso deren erster Jäger mit geschlossenem Cockpit, Funkausrüstung als Standard, mit einer Tragflächenbewaffnung von 2 MG und hydraulischen Landeklappen. Mit 407 km/h Höchstgeschwindigkeit einer der schnellsten Doppeldecker in Gemischtbauweise, war sie doch mit Einsatzbeginn 1937 bereits technisch überholt. So blieb sie, bewaffnet mit insgesamt 4 Browning 7,7 mm MG, nur Lückenbüßer bis zum Zulauf der neuen (Ganzmetall-) Tiefdecker mit Einziehfahrwerk, der Hawker Hurricane und der Supermarine Spitfire (sowie der ambitionierten, aber letztlich enttäuschenden Boulton Paul Defiant) ab 1938.

Die Verspannung des Modells geschah durch über einer Kerze gezogenen Plastikgrat. Fein detailliert, kommen in dieser Ansicht der bullige Bristol-Sternmotor und die mächtige 2-Blatt-Starrluftschraube gut zur Geltung.

In Reaktion auf die deutsche Wiederbewaffnung und insbesondere die Wiederbelegung von Garnisonen im Rheinland beschaffte die königlich-belgische Luftwaffe, Aéronautique Militaire Belge, zusammen mit einigen leichten Bombern des Typs Fairey Battle insgesamt 22 Exemplare der Gladiator Mk I, sowie kurz vor Kriegsbeginn noch den damalig besten verfügbaren Jäger der Briten, die Hawker Hurricane. Und zum Zeitpunkt der Bestellung 1936 war die Gladiator tatsächlich noch der designierte Standard-Jäger der britischen RAF – die Belgier waren zu diesem Zeitpunkt also „up to date“...

Halbwertszeit

15 Gladiators Mk I wurden 1937 aus Großbritannien geliefert, weitere 7 Maschinen ab 1938 in Belgien von der Firma Sabca zusammengebaut, um Reparatur und Wartung einzuüben. Eine geplante Lizenzfertigung verlief jedoch im Sande. Alle Gladiators mit den belgischen Kennungen G-17 bis G-38 wurden der Escadrille 1/I/2 Aé mit dem Staffelzeichen eines roten Kometen unter Capitaine Max Guisgand zugewiesen.

Das Staffelzeichen auf beiden Rumpfseiten zeigt einen roten Kometen – Auf vielen Flugtagen vor dem zweiten Weltkrieg präsentierte die belgische Luftwaffe ihre Gladiators der Öffentlichkeit.

Knapp drei Jahre lang dienten die Maschinen des 2. Fliegerregiments dann sowohl der potenziellen Landesverteidigung als auch durch Schauflüge und Teilnahme an diversen Flugtagen der Repräsentation – während sie technisch rasant veralteten. Wie bei vielen Konstruktionen der 30er Jahre betrug auch hier die „Halbwertszeit“ kaum zwei Jahre…

Bei Beginn des Westfeldzuges der Wehrmacht im Mai 1940 wurden sie zusammen mit den Fairey Battles und den Hurricanes wenngleich tapfer kämpfend durch die Bf 109 und 110 der deutschen Luftwaffe binnen zweier Tage aufgerieben – wo nicht schon zuvor durch Bombenangriffe am Boden zerstört. Die deutsche „Blitzkrieg“ überrollte nach Polen und Norwegen nun auch die Niederlande, Belgien und Frankreich – und die noch vor wenigen Jahren technisch wegweisenden Gladiators waren zu Trümmerhaufen geworden…

Die Unteransicht zeigt die beiden Tragflächen-MG, die Abgasanlage und das freitragende Fahrwerk.

Ein Schicksal, welches unser im Modell dargestellte Exemplar schon vorwegnahm, denn die „G-30“ machte zwei Jahre zuvor in einem Schneesturm bei Namur kapitalen Bruch und wurde verschrottet.

Wesentliche Informationen zu diesem Artikel wurden der Website www.belgian-wings.be entnommen; wir bedanken uns beim Luftfahrthistoriker Daniel Brackx.

Datenblatt zur Gladiator Mk I

Besatzung: 1// Länge: 8,36m// Spannweite: 9,83 m// Startgewicht: 2.083 kg// Höchstgeschwindigkeit: 407 km/h// Antrieb: 1 x Bristol Mercury IX mit 840 PS// Bewaffnung: 4 x 7,7 mm MG// Reichweite: 689 km.

Zwei Generationen von Jagdflugzeugen – und doch trennt nur ein Jahr die Erstflüge der Gloster Gladiator und der Messerschmitt Bf 109, hier eine E-1 vom JG 26.

Konnten wir Sie neugierig machen auf unsere Sammlungen mit über 40 Originalen und originalgetreuen Nachbauten, noch einmal so vielen Triebwerken und Hunderten von Ausrüstungsgegenständen sowie unserer Modellsammlung? Dann freuen wir uns auf Ihren Besuch in der Ulmer Straße am hannoverschen Messegelände: wir sehen uns! 

sb